Du machst mich traurig, mein Kind

So steh ich da, bin betrübt, sauer, perspektivenlos und traurig. Warum geht alles schief? Warum ist alles so abgrundtief SCHLECHT? Was mach ich hier an diesem Scheiß-Bahnhof und hasse die ganze Welt?

Ich habe einen Job, der mich nicht wirklich erfüllt, ja der mich langweilt und bei dem ich mein Potential und meine Stärken gar nicht richtig nutzen kann. Freunde melden sich kaum bei mir, sei denn ich melde mich und die Familie sehe ich auch fast garnicht mehr.

Ich hadere mit mir, seit Wochen grübele ich über meine Zukunft. Hadere damit, dass ich nicht bin wo ich sein könnte! Das ich nicht tue was ich tunen könnte, das ich mehr könnte - SO viel mehr!

Was kann ich bloß tun? Wo will ich bloß sein? Was ist meine Berufung? 

Wie ein Wasserfall kommen schlechte Gedanken über mich. Ich tauche ein in die Vergangenheit, überlege wo ich wie falsche Entscheidungen traf, wo ich wie falsch abgebogen bin, evtl. falsche Dinge gesagt und getan habe. Die Schlinge um meinen Hals zieht sich zu, mein Herz schlägt schneller, ich fühle mich von Sekunde zu Sekunde schlechter und komme zu dem Schluss: Ich bin einfach nicht gut genug! Ich bin nicht würdig. Ich habe nicht genug getan - und deshalb stehe ich -zu Recht- frierend am Bahngleis ohne Perspektive. Wenn ich jetzt einfach nicht mehr da wäre? Na und? Es würde doch gar kein Unterschied machen!

In diesem dunklen, düsteren Moment hob ich meinen Blick und sah ein kleines Mädchen gegenüber am Bahngleis. Sie trug einen rosa Mantel mit Fellkragen und hatte die Kapuze tief in Ihr Gesicht gezogen, die langen blonden Haare wedelten vor ihrem Gesicht im Wind. Sie stand nah am Gleis, schon fast etwas zu nah. Sie sah aus wie meine Tochter noch vor ein paar Jahren.

In diesem Moment sprach Gott zu mir. Es fühlte sich an als hätte Er bei einem Film, meinem Film, kurz den Pause Knopf gedrückt um eine Frage zu stellen. Er fragte mich: "Was wäre wenn dieses Mädchen jetzt in das Gleis springen würden, wenn der Zug einfährt? WAS WÄRE DANN?" Tränen traten in meine Augen, ich hatte das Gefühl das mein Herz stehen geblieben war und ein NEIN, steckte in meiner Kehle fest ohne an die Oberfläche zu gelangen. Er fragte mich: "Siehst du es, spürst du wie ICH MICH fühle? Wie weh es meinem Herzen tut, wenn du müde vom Leben bist? Spürst du wie weh es mir tut, wenn mein KIND, mein Fleisch und Blut am Bahnsteig steht und meine Liebe "vergessen" hat?" 

Ich spürte es. Ich fühlte es. Der Schmerz und die Scham war fast unerträglich. Ich richtete mein Blick nach oben, stand heulend wie ein Schlosshund am Bahnsteig und fühlte mich geliebt und in den Arm genommen, in einer Zeit in der für viele Distanz zu den wichtigsten Dingen gehört. Nicht für unseren Vater! 

Das kleine Mädchen stieg ein, fuhr davon und nahm meine Selbstzweifel, mein Groll und meine Mutlosigkeit mit. 

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