Worte fasten

Fastenzeit. Heute ist der erste Tag der Fastenzeit und ich sitze hier und frage mich: "Auf was könnte ich verzichten, um Gott stolz zu machen?" Was wäre für mich wirklich ein Opfer?" Ich meine, für mich ist es wirklich nicht schwer, auf Alkohol zu verzichten, auf Zucker, auf Kohlenhydrate oder auf Süßigkeiten, denn seien wir mal ehrlich: Ich bin in den letzten 25 Jahren dauerhaft auf Diät gewesen, immer nicht dünn genug, immer nicht fit genug, einfach nicht perfekt genug. Also auf Essen zu verzichten, ist für mich nicht mal mehr anstrengend. Auch darüber sollte ich mir mal ernsthaft Gedanken machen, aber nicht jetzt, nicht bei diesem Blogeintrag.

Ich muss an meine letzten Tage in Florida denken. Ich war mit meiner Schwägerin in Florida, um die familieneigene Ferienwohnung zu entrümpeln, aufzuräumen und bereit für Mieter zu machen. Ich schmunzle bei dem Gedanken an die vielen Gespräche während der Arbeit und den gemeinsamen Mahlzeiten. Das die Amerikaner Dinge gerne etwas "beschönigen", manche Sachen etwas "schöner ausdrücken", als sie sind, dass ist eigentlich bekannt. "Mir gefällt dein Kleid!" "Hey, wow deine neue Frisur steht dir!" Solche Floskeln fliegen einem tagtäglich um die Ohren. Oberflächlich, sagen die einen. Unecht, sagen die anderen. Alles nur Show, alles nur Fake?

Ich dachte immer, es wird gesagt, um selbst gut dazustehen. Um selbst gemocht zu werden. Von meiner Schwägerin Kathy dürfte ich lernen, dass es nicht unbedingt immer darum geht, dass man selber besser dasteht, sondern, dass es oft darum geht, dass sich die andere Person nicht schlecht fühlt. Dieser Satz, den Kathy da sagte, schwirrt nun dauerhaft in meinem Kopf herum. "Ich möchte einfach nur mit jedem auskommen!"

Wenn ich mein Leben Revue passieren lasse, war dieser Satz nie wirklich meine Lebenseinstellung. Schade, wie ich heute mit fast 44 finde. Mir war es oft wichtig, dass ich Recht habe, dass ich "was weiß", beziehungsweise die Person davon zu überzeugen, dass das, was ich sage und was in manchen Fällen auch bestimmt richtig war, jeder aus so sehen sollte. Ich war nicht gut im Beschönigen. Ich war eher, der direkte Mensch. Man wusste bei mir, woran man war. Man musste nicht rätseln und man wusste - ICH BESCHÖNIGE NICHTS. Wie stolz ich drauf immer war. Viele Menschen reflektieren mir auch, dass sie genau das an mir mögen, sie mögen, dass sie wissen, woran sie sind. Aber mal ganz ehrlich: Bestimmt haben sich die Menschen nicht immer gut gefühlt, mit meinen wahren, direkten Worten. Bestimmt hätte ich das ein oder andere einfach nicht sagen sollen. Bestimmt, wäre die ein oder andere Situation in meinem Leben leichter gewesen, hätte ich nicht sofort den Mund aufgemacht, um die Wahrheit heraus zu posaunen. Vielleicht wäre sogar der ein oder andere Mensch nach wie vor ein Teil meines Lebens, hätte ich nicht auf mein Recht gepocht. Ich wollte nicht immer einfach nur mit allen Menschen auskommen, ich wollte meine Meinung kundtun und ich wollte RECHT haben, denn, hatte ich es nicht verdient, dass das was ich wußte, den Unwissenden kund zu tun?

Ich frage mich heute, warum ich so war. Warum es mir so wichtig war, meine Meinung, meine Wahrheit und mein Wissen an dem Mann oder die Frau zu bringen ohne Rücksicht auf Gefühle und Bedürfnisse anderer. Warum wollte ich nicht einfach "mit allen auskommen" und in Harmonie leben? Je länger ich darüber nachdenke, umso betrübter werde ich. Ich wandle mit meinen Gedanken in die Vergangenheit, die Schulzeit, Konfizeit, und später in die Arbeitswelt, denke über Freundschaften nach, die nicht mehr sind und je länger ich mich in der Vergangenheit so umherdenke, umso mehr kommen mir Situationen in den Kopf, wo ich einfach nur falsch reagiert habe. Ehrlich und direkt ja, aber nicht notwendig, wie ich es heute finde. Ich schüttle mich, es bringt nichts in der Vergangenheit herumzurühren Situation wieder und wieder ab zu spielen, ich setze dem ein Ende und heute zum ersten Fastentag, ist meine Fastenaufgabe mein FASTEN DER WORTE. Es klingt verrückt, aber ich nehme mir vor achtsam zu sein. Achtsam mit den Worten, die ich meinem Gegenüber ausspreche. Ich werde ab heute, am ersten Fastentag, Worte einsparen, die nicht gesagt werden müssen, die nicht dazu dienen, meinem Gegenüber ein gutes Gefühl zu geben. "Würde Jesus das so sagen?" wird mein neuer Leitsatz. 

Ich werde die Worte vorher in meinem Kopf herumbalanciert, um mich zu fragen, ob diese Worte nur dafür dienen, dass ich gesagt habe, was ich für die Wahrheit halte oder ob das der anderen Person dient und der anderen Person ein gutes Gefühl gibt. Dies alles muss passieren BEVOR ich sie ausspreche und glaubt mir, diese meine Aufgabe, ist eine viel schwierigere Aufgabe, als auf Alkohol, Süßigkeiten und Kohlenhydrate zu verzichten. Worte sind meine Welt, meine Leidenschaft, aber ich bin mir sicher: Gott wird mich leiten, Gott wird mich zum Schweigen bringen und er wird mir ein Lehrer sein!

Nachtrag: Ich habe diesen Artikel am Aschermittwoch, also vor fast einer Woche geschrieben, aber nie hier in den Blog übertragen. Es viel mir schwer, mich an meine auferlegten Gebote zu halten, meine Gespräche waren ruckelig und ich fühlte mich komisch dabei, nicht wie sonst, schlagfertig zu sein. Am Samstag bekam ich Halsschmerzen und meine Stimmbänder sind seit dem so angeschlagen, dass ich kaum reden kann. Jedes Wort will überlegt sein, schmerzt und strengt an. Zufall? Niemals! Gott ist gut! Gott hilft uns auf die Sprünge wenn wir nicht weiter wissen, wenn wir zweifeln, er bringt uns zum Reden wenn wir nicht reden können und bringt uns zum Schweigen wenn wir Stille benötigen. Wir müssen Ihn nur darum bitten.




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